GOTT IST GEGENWÄRTIG

1

Gott ist gegenwärtig.
Lasset uns anbeten
und in Ehrfurcht vor ihn treten.
Gott ist in der Mitte.
Alles in uns schweige
und sich innigst vor ihm beuge.
Wer ihn kennt,
wer ihn nennt,
schlag die Augen nieder,
kommt, ergebt euch wieder.

5

Luft, die alles füllet,
drin wir immer schweben,
aller Dinge Grund und Leben,
Meer ohn Grund und Ende,
Wunder aller Wunder:
Ich senk mich in dich hinunter.
Ich in dir,
du in mir,
laß mich ganz verschwinden,
dich nur sehn und finden.

6

Du durchdringest alles;
laß dein schönstes Lichte,
Herr, berühren mein Gesichte.
Wie die zarten Blumen
willig sich entfalten
und der Sonne stille halten,
Laß mich so
still und froh
deine Strahlen fassen
und dich wirken lassen.

7

Mache mich einfältig,
innig, abgeschieden,
sanft und still in deinem Frieden;
mach mich reines Herzens,
daß ich deine Klarheit
schauen mag in Geist und Wahrheit;
laß mein Herz
überwärts
wie ein‘ Adler schweben
und in dir nur leben. 

GOTT ALLEIN DIE EHRE

2

Ich bin entblößt von allem Gut,
Von allem Licht und Kraft und Leben;
Gott alles ist und hat und tut,
Er kann und will mir alles geben.
Wenn ich mein tiefes Nichts bedenk,
Ich mich in Gott noch tiefer senk'.

4

Man nennt sich öfters arm und schwach,
Wer glaubt es aber recht von Herzen?
Und wer es glaubt, den bringt es Plag,
Man glaubt mit Unruh und mit Schmerzen.
Im Nichts bringt Armut seine Pein,
Im Nichts ist man mit Frieden klein.

5

Dies Nichts soll meine Wohnung sein,
Herr, lass mich nimmer etwas werden,
Sei du mein Ruhm und Freud' allein,
Mein alles droben und auf Erden,
Lass mich verschwinden ganz und gar,
Sei du in mir nur offenbar!

7

Führ mich zur höchsten Heiligkeit,
Doch lass's die Eigenheit nicht wissen,
Gib mir das Himmels Herrlichkeit!
Ich leg' die Kron zu deinen Füßen,
Mit Freuden seh' ich nichts in mir,
Mit Freuden geb' ich alles dir. 

AUFMUNTERUNG ZUM KINDERLEBEN

1

Kommt, lasst uns Kinder werden,
Einfältig, klein und rein,
Von allem Trost der Erden
In Gott gelehret sein,
Des Vaters Wink und Zügen
Aufmerken und Vergnügen
Und, wie die Kindlein tun,
In seinem Schoße ruhen!

2

Kommt Kinder, gebt das Herze
Dem lieben Vater ganz,
Es bleibt die Not und Schmerze,
Behält und teilet man’s!
Ganz, ganz muss man sich geben,
Wer frei und froh will leben;
Ein willenloses Kind
in einem alles find't.

5

Wer eingesunken lebet,
Den blend't sein eitler Dunst
Wer kindlich Gott anklebet,
Der lernt die Sterbenskunst,
Aus Liebe lass'n und meiden,
Aus Liebe tun und leiden
Den Vater zum Plaisir –
Wie selig leben wir!

7

Kommt lasst uns Kinder werden,
Die ganz des Vaters sei'n
Und, lieb'n wir nichts auf Erden,
Einander lieben rein!
Vernunft und Welt mag lachen,
Natur und Abgrund krachen,
Wir trösten uns der Pein
Und wollen Kinder sein.

NUN SICH DER TAG GEENDET

1

Nun sich der Tag geendet,
mein Herz zu dir sich wendet
und danket inniglich;
dein holdes Angesichte
zum Segen auf mich richte,
erleuchte und entzünde mich.

3

Ich schließe mich aufs neue
in deine Vatertreue
und Schutz und Herze ein;
der Finsternis Geschäfte
und alle bösen Kräfte
vertreibe durch dein Nahesein.

5

Ein Tag, der sagt dem anderen,
mein Leben sei ein Wandern
zur großen Ewigkeit.
O Ewigkeit, so schöne,
mein Herz an dich gewöhne,
mein Heim ist nicht in dieser Zeit. 

DIE ÄCHZENDE LIEBE

1

Ich einsam Turteltäubelein
In dürrer Wüste sitze
Ganz matt und müd in Durst und Pein
In keuscher Liebeshitze,
Ich schlag‘ die Augen hin und her,
Ob ich möchte‘ sehen ungefähr,
Den meine Seele liebet.

2

Ein Etwas hat mich innerlich
Gezogen und berühret,
Wonach mein Auge sehnet sich,
Bis es dich selbst verspüret.
Mein Herz dich zwar nicht deutlich kennt,
Mein Mund dich nur ein Etwas nennt,
Das meine Seele liebet.

4

Wer hat in mir gezündet an
Solch durstiges Verlangen?
Du, Jesus, hast es selbst getan
Und bist nun hingegangen.
Mein Gott, mein Gut, wo find‘ ich dich,
Wo bist du denn, mein ander Ich,
Den meine Seele liebet?

6

Nein, ihr Geschöpfe seid es nicht,
Ich bleib‘ bei euch nicht stehen,
Dich, Schöpfer, selbst muß mein Gesicht
Im Geist und Wahrheit sehen;
Es ist nichts Sinnlichs, das ich mein‘,
Es muß was Wesentliches sein:
Gott muß sich selbst mir geben.

7

Du hast gemacht, daß gar nicht mir,
Was sichtbar ist, mehr schmecket,
Du ziehst mich, und ich lauf nach dir,
Und hältst dich noch verdecket;
Ich kann nicht leben ohne dich,
Den meine Seele liebet.

9

O Schönheit, die mich hat verwund’t,
Wann willst du dich erbarmen,
Wann wird‘ ich dich in meinem Grund
Einst wesentlich umarmen?
Du mußt mir werden innig nah,
Sonst kann sich nicht, du weißt es ja,
mein Herz zufrieden geben.

10

Zerstör den Grund der Eigenheit,
Der uns noch hält geschieden,
Schmelz ab so viel Unlauterkeit,
Die mir benimmt den Frieden,
Zieh mich aus mir und allem hin,
Bis ich mir dir ganz eines bin
Und du in mir nur lebest! 

11

Ich kann nicht mehr, ich bin zu schwach,
Ich will in Demut schweigen
Im tiefsten Grund ein stilles Ach
Soll stetig aufwärts steigen –
Und will erwarten in Geduld
Die unverdiente Gnad‘ und Huld,
Daß du in mir erscheinest.

12

Nur laß mein’n Geist doch nimmermehr
Sich von dir auswärts lehren,
Sollt‘ gleich mein Hunger noch so sehr
Mir Leib und Seel‘ verzehren!
Nichts neben dir, nur du allein
Du sollst es nun und ewig sein,
Den meine Seele liebet.

NUN SCHLÄFET MAN

1

Nun schläfet man;
und wer nicht schlafen kann,
der bete mit mir an den großen Namen,
dem Tag und der Nacht
wird von der Himmelswacht
Preis, Lob und Ehr gebracht:
O Jesu, Amen.

2

Weg, Phantasie!
Mein Herr und Gott ist hie;
du schläfst, mein Wächter, nie,
dir will ich wachen.
Ich liebe dich,
ich geb zum Opfer mich
und lasse ewiglich
dich mit mir machen.

3

Es leuchte dir
der Himmelslichter Zier;
ich sei dein Sternlein, hier
und dort zu funkeln.
Nun kehr ich ein,
Herr, rede du allein
beim tiefsten Stillesein
zu mir im Dunkeln.

JESU, DER DU BIST ALLEINE

1

Jesu, der du bist alleine
Haupt und König der Gemeine:
Segne mich, dein armes Glied;
Wollst mir neuen Einfluß geben
deines Geistes, dir zu leben;
stärke mich durch deine Güt.

2

Ach dein Lebensgeist durchdringe,
Gnade, Kraft und Segen bringe
deinen Gliedern allzumal,
wo sie hier zerstreuet wohnen
unter allen Nationen,
die du kennest überall.

3

O wie lieb ich, Herr, die Deinen,
die dich suchen, die dich meinen;
o wie köstlich sind sie mir!
Du weißt, wie mich’s oft erquicket,
wenn ich Seelen hab erblicket,
die sich ganz ergeben dir. 

ICH BETE AN DIE MACHT DER LIEBE

Ich bete an die Macht der Liebe,
die sich in Jesu offenbart;
ich geb mich hin dem freien Triebe,
wodurch ich Wurm geliebet ward;
ich will, anstatt an mich zu denken,
ins Meer der Liebe mich versenken.

Wie bist du mir so zart gewogen.
Und wie verlangt dein herz nach mir!
Durch Liebe sanft und tief gezogen
neigt sich mein Alles auch zu dir.
Du traute Liebe, gutes Wesen,
du hast mich und ich dich erlesen.

ABENDGEDANKEN EINER GOTTSELIGEN SEELE

1

Der Abend kommt, die Sonne sich verdecket,
Und alles sich zur Ruh' und Stille strecket;
Oh meine Seel', merk auf, wo bleibest du?
In Gottes Schoß, sonst nirgends findst du Ruh.

2

Der Wandersmann legt sich ermüdet nieder,
Das Vöglein fliegt nach seinem Nestchen wieder,
Das Schäflein auch in seinem Stall kehrt ein;
Lass mich in dich, mein Gott, gekehret sein!

5

Vergib es, Herr, wo ich mich heut' verirret
Und mich zu viel durch dies und das verwirret!
Es ist mir leid, es soll nicht mehr geschehn;
Nimm mich nur ein, so werd' ich fester stehn!

7

Die Dunkelheit ist da, und alles schweiget,
Mein Geist vor dir, o Majestät, sich beuget,
Ins Heiligtum, ins Dunkle kehr ich ein;
Herr, rede du, lass mich ganz still sein!

10

Im Finstern sei des Geistes Licht und Sonne,
Im Kampf und Kreuz meinen Beistand, Kraft und Wonne;
Deck mich bei dir in deiner Hütte zu,
bis ich erreich' die volle Sabbatruh!